Bianca Ott
Kunst, Fotografie & Konzept
Fotografin: Bianca Ott
Fotograf: Daniel Rihs
Fotografin: Bianca Ott
Ideenwettbewerb des Bundes: Morgen? Die Schweiz
Mai - Oktober 2014
Dozierende: Jörg Wiesel & Nicolaj van der Meulen (Leitung Institut für Ästhetische Praxis und Theorie),
Evelyne Roth, Sabine Portenier, Arlette Schneider (Laboutiquevolante)
Studierende: Bianca Ott (Masterstudio Design), Léa Girardin (Master Viskom), Camille Grey (Master Viskom),
Silvano Scherrer (Modedesign) & Angelo Nottaris (Industrial Design)
Impressionen vom Brainstorming und Konzeptkonkretisierung in Thun
Unterste Reihe am Tag der Präsentation in Bern bei Bundesrätin Doris Leuthard.
Fotografin: Bianca Ott
Wie sieht die Schweiz in zwanzig Jahren aus? Für einmal ging diese Frage nicht an professionelle Prognostiker, sondern an fünf ausgewählte Fachhochschulen aus allen Landesteilen (siehe Kasten). Unter dem Präsidium von Bundesrätin Doris Leuthard beurteilte eine Jury (siehe Kasten) die eingereichten Projekte. Die Studierenden lösten die Wettbewerbsaufgabe, Vorstellungen einer zukünftigen Schweiz zu entwickeln, auf ganz unterschiedliche Weise.
Die Wettbewerbsbeiträge sind für das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) von besonderem Interesse, da dieses als Infrastrukturdepartement die künftige Ausgestaltung der Schweiz entscheidend mitprägen wird. Nach Möglichkeit sollen die Beiträge der Öffentlichkeit zu einem späteren Zeitpunkt zugänglich gemacht werden.
(aus: http://www.uvek.admin.ch/dokumentation/00474/00492/index.html?lang=de&msg-id=55030)
Folgende Hochschulen haben am Wettbewerb teilgenommen
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Hochschule für Technik Rapperswil (HSR)
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Fachhochschule Ostschweiz (FHO) Hochschule Luzern – Design & Kunst (HSLU)
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Fachhochschule ZentralschweizHochschule für Gestaltung und Kunst (HGK)
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Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW)
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Haute école du paysage, d'ingénierie et d'architecture de Genève (hepia)
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Haute école spécialisée de Suisse occidentale (HES-SO)
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Dipartimento ambiente costruzioni e design (DACD), Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI)
Die Jury
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Bundesrätin Doris Leuthard, Vorsteherin UVEK, Jury-Präsidentin
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Michael Künzle, Winterthurer Stadtpräsident
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Isidor Baumann, Ständerat, Präsident Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete SAB
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Stefan Cadosch, Präsident Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein SIA
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Kees Christiaanse, Professor für Architektur und Städtebau, ETH Zürich
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Claudia Knapp, freischaffende Kulturjournalistin, Mitglied Stiftungsrat Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia
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Daniel Müller-Jentsch, Projektleiter Avenir SuisseSuzanne Wolff, Präsidentin Mirador Foundation,
Mitglied Stiftungsrat WWF Schweiz
Unser multidisziplinäres Projektteam bestand aus 5 Studenten der Hochschule für Gestaltung und Kunst der Fachhochschule Nordwestschweiz. Camille Gray & Léa Girardin vom Master Visuelle Kommunikation,
Silvano Scherrer von der Mode, Angelo Nottaris/Industrie Design und ich vom Masterstudio Design.
Begleitet wurden wir von Jörg Wiesel und Nicolaj van der Meulen, den Leitern des Instituts Ästhetische Praxis und Theorie und in der praktischen Umsetzung wurden wir von Evelyne Roth, Sabine Portenier und Arlette Schneider unterstützt.
Doch wie kam es überhaupt zu unserem Wettbewerbsbeitrag?
Als sich ein engagiertes Team von 5 Studierenden herauskristalisierte starteten wir mit einem ersten Brainstorming. Es wurde sehr viel diskutiert und erfragt. Beispielsweise:
Wie stellen wir uns als Künstler/Designer die Schweiz von 2035 vor?
Welche Themen wollen wir miteinbeziehen und welche Fragen stellen?
Es war ein intensiver Prozess der mit individuellen Recherchen begann, die in einer Prezi dokumentiert und gesammelt wurden. So konnten wir konkretisierten in welche Richtung dass es gehen könnte und unser Konzept präzisieren.
Wieso Mode? Warum Haute Couture?
Weil sich an diesem Beispiel sehr schön aufzeigen lässt wie die Vergangenheit die Gegenwart beeinflusst und die Zukunft mitgestaltet. Wie doubleface - Doppel Wendigkeit einen Blick über den Zaun wagt und Grenzen tangiert vielleicht sogar aufhebt. Wie wir in Zukunft Arbeiten möchten, das Gemeinsame proklamierend mit einer selbstbewussten Identität und wo Arbeit als Kultur wertgeschätzt wird.
Unser Statement: Die Schweiz braucht ein neues Gewand.
Vorgehensweise:
1. Teambildung
2. Unsere Fragestellung: Wie wollen wir die Schweiz von Morgen? (2035)
3. Daraus resultierende Statements und weitere Fragen:
A: 2035: BEVÖLKERUNGSZUWACHS auf 8‘500‘000, Anteil der Personen ab 65: ca. 45%
B: ARBEIT ALS LUXUS ODER ARBEIT ALS KULTUR
Gibt es weitere Möglichkeiten wie Home Office oder Heimarbeit?
C: AUSBILDUNG – Neue Spezialisierungen?
D: BESCHÄFTIGUNG? – Werden wir alle aktiv sein können in dieser neuen Gesellschaft?
(Beispielsweise ältere Menschen und Asylbewerber)
D: PRODUKTION IN DER SCHWEIZ? – Wie lässt sich der Produktionsstandort „Schweiz“ stärken?
E: TRANSPORT VON GÜTEN? – Muss alles von weither importiert werden?
F: POLITISCHE STABILITÄT? – Können wir immer auf politische Stabilität rechnen?
G: START UP‘S: Wie können wir Unternehmensgründungen verbessern?
H: WERTSCHÄTZUNG? – Wie können wir weiter wertschätzen, was wir haben?
4. Brainstorming: Rechercheergebnisse in einer Prezi festgehalten
A: Wie kleiden wir uns Morgen?
B: Gibt es so etwas wie ein "nationales" Gewand das uns entspricht?
C: Existiert heute noch das klassische Bild des Künstlers?
Kann man ein autonomes Individuum im kollektiv sein?
D: Le designer/làrtiste pourrait-il/elle être intégré(e) et participer activement dans tous les disciplines?
E: Was passiert mit der Gemeinschaft wenn jeder seine Individualität voll leben möchte?
Uniformierung oder Dissoziierung des Menschen?
Die individuellen Recherchen kurz von jedem beschrieben:
Das Individuum und die Gesellschaft von Morgen
"Ausgehend von der Idee des Gewandes, fragen wir nach einem wendbaren Kleid und dessen Bedeutung:
Beispiele aus der Mode: Franck Sorbier der mittels Projektionen ein opulentes Kleid inklusive Hintergrund inszeniert. Inspirierend sind auch die in ihrer Form aufgelösten Gewänder des Jugendstils, insbesondere von Gustav Klimt und Emilie Flöge. Es galt die Devise: Hauptsache bequem und nicht in der Bewegungsfreiheit einschränkend. Auch waren die Muster sehr grafisch und reduziert.
Entwurf eines weiteren Designs in der Tradition des Jugendstils: Ein indischer Mann in westlich anmutender Kleidung wird von einem weit geschnittenen und mit Ornamenten übersäten Mantel verhüllt. –
Das Gewand ist Ausdruck einer kulturellen Zugehörigkeit, bzw. ihrer Erweiterung. "
Helvetia Demain?
"Quel vêtement porte Helvetia aujourd’hui? Et quelle en est sa symbolique?
Que sont devenus les qualités que sa toge et sa couronne de laurier inspiraient autrefois? La vigilence,
l’ importance de la paix et de la liberté et surtout, l’union des coeurs et des volontés? La Suisse a besoin de retrouver un esprit fraternel, communautaire, de partage et d’altruisme."
Zusammen Morgen?
"Betrachten wir die Zukunft der Schweiz als kollektives Spiel. Ein Spiel lässt Menschen zusammenkommen und miteinander um ein Ziel spielen. Das physische Zusammenkommen der Kinder und das virtuelle Zusammenkommen der Gamer in einem Kreis sitzend kann ein Bild der Individualisierung oder auch der Zusammengehörigkeit sein.
Uniformen sind seit jeher ein Zeichen von Zugehörigkeit, sind Ausdruck eines gemeinsamen Ziels.
Sie drücken Identität, aber auch Uniformierung, das heisst Vereinheitlichung aus. Der individuelle Ausdruck
geht auf Kosten einer übergeordneten Idee. Sowohl Kleider als auch Sprache können ein Idiom für ein
solches Ziel sein, sei es negativ oder positiv. Soll das neue Kleid der Schweiz etwa eine Uniform sein?
Oder ein gemeinsames Ziel der Schweizerinnen und Schweizer versinnbildlichen, ohne die Individualität eines jeden einzelnen zu beschneiden, sondern im Gegenteil, diese zur Entfaltung zu bringen?
Es gibt ein Ziel und viele Wege dieses zu erreichen.
Es gibt auch die Zusammengehörigkeit als Weg und Ziel für die Zukunft der Schweiz."
Les Habits et La Vieillesse Demain?
"“Demain, la Suisse?”, mais qu‘ adviendra-t-il de tout ce monde?
Les prévisions indiquent une augmentation de plus de 90% des personnes ayant 60 ans et plus.
Que faire avec une population constamment vieillissante? Quelles sont les réponses à un taux de mortalité plus élevé? Comment développer un agencement de l’espace, respectueuse des religions et des voeux de chacun?
La mort pourrait-elle redevenir un culte? Pourrait-on s‘imaginer un nouveau rituel? Et si le recyclage offrait une nouvelle solution? Le corps redeviendrait terre, qui serait ensuite réutilisée comme fertilisant afin de recréer des vergers, des forêts."
Bekleidung und Körperverständnis Morgen?
Wie werden Kleider in der Zukunft produziert oder verwendet?
Eine mögliche Idee: Kleider als Akku zu verwenden. Der Schweiss wird beispielsweise als Salz in der Kleidung gespeichert. Die Kleidung/Akku wird dann Zuhause in der Garderobe angedockt. Die Garderobe verwendet dann das gewonnene Salz, um hieraus Energie zu erzeugen. Die Idee soll unter Berücksichtigung der Prognosen der 2000-Watt Gesellschaft, der Städteentwicklung und des technologischen Fortschritts untersucht werden.
Eine mögliche zweite Idee ist ebenfalls technologisch orientiert. Heute können bereits verschiedene Materialien wie Kunststoff oder Metall 3D gedruckt werden. Noch ist es nicht möglich, flexible Materialien zu drucken.
Es existieren aber bereits kettenartige Konstruktionen, die eine gewisse Bewegungsfreiheit ermöglichen.
Jedoch erinnern diese eher an mittelalterliche Rüstungen.
In einer utopischen Zeit, in welcher auf der Erde jegliche Grundbedürfnisse gestillt sind, soll jeder seine Kleidung drucken können. Digital werden die Files geladen und ausgedruckt.
5. Das Gewand der Schweiz. - Ein Gewand für die Schweiz?
Die Toga der Helvetia ist das Gewand der Römischen Republik.
Niklaus von Flüe gilt als Schutzpatron von der Schweiz. Eine Vision bewegt ihn zur Umkehr.
In Ranft bauen ihm die Bewohner zunächst eine Hütte, dann eine Kapelle. Hier lebt er bis zu seinem Tod 1487 als Eremit und Vermittler. Er hilft Ratsuchenden aus Politik und Gesellschaft.
Die Entscheidung zum Eremitendasein fällt Niklaus von Flüe nicht im Alleingang. Die Quellen betonen die wichtige Rolle seiner Frau Dorothea Wyss, die ihm für seine neue Existenz einen «weitmaschigen Wollenstoff von dunkelbrauner Farbe» webt.In dem schmucklosen Rock drückt sich eine Haltung aus, die Denken und Nachhaltigkeit über Luxus und Schnelllebigkeit stellt.
Das Gewand ohne Kragen exponiert den Kopf, den Moment der Reflexion.
Das Gewand verwandelt den natürlichen Körper des Ehemannes und Vaters in einen ideellen Körper, der für ein anderes Leben steht. Die einfache Materialität des Kleides entmaterialisiert den Körper von Bruder Klaus.
Das Gewand des Pilgers und Eremiten beglaubigt vestimentär dessen vermittelnde und warnende Intervention – etwa in den Auseinandersetzungen rund um die Burgunderkriege. Überlieferte Äusserungen wie “Mischet Euch nicht in fremde Händel” gelten bis heute als Appelle an die Freiheit
und Unabhängigkeit. Sie haben die politische und gesellschaftliche Haltung der Schweiz geprägt.
6. Das Gewand der Schweiz von Morgen „zu Faden schlagen“.
Wie könnte ein Gewand der Schweiz von Morgen aussehen?
Ein Gewand das sich der Vergangenheit bewusst ist zugleich aber die Schweiz von Morgen bekleidet?
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Das Gewand des Niklaus von Flüe ist das historische Gewand der Schweiz. Wir lesen es aber auch als ein Gewebe, in welches das Denken eingewoben ist. Ein Gewebe, das die Schweiz von Morgen denkt. Das Gewand ist ein ästhetisches Produkt und verkörpert ein denkendes Substrat.
Es ist Akteur innerhalb eines sozialen Prozesses.
Wendig/Doubleface
Welches Kleid trägt die Schweiz nach Aussen? Wie will sie nach Innen wirken?
Es gibt keine abschliessende Antwort auf diese Fragen. Aber im fortwährenden Akt des Wendens wird diese Grenze erkundet.
Das Gewand der Schweiz von Morgen ist wendig.
Es soll nicht doppelgesichtig sein aber doppelwendig, double face.
Es blickt zurück in die Geschichte und nach vorn in die Zukunft. Es besitzt ein gleichwertiges Innen und Aussen. Das Gewand erkundet im Akt des Wendens die dazwischen verlaufende Grenze. Es erkundet die Grenzen der Schweiz. Diese Grenzen sind das Gewand selbst.
Unser Gewand „D`z Fadegschlagä“ gibt keine eindeutigen Antworten auf Fragen der Raumentwicklung der Energieversorgung oder des sozialen Lebens. Aber es nimmt als ästhetisches Objekt Stellung dazu, „wie“ Antworten auf offene Fragen gefunden werden können. Das Gewand selbst ist das Ergebnis eines partizipativen Prozesses, in dem die Kenntnisse und Erfahrungen von Lehrenden, Lernenden und Produzierenden auf verschiedensten Ebenen als ökonomische und soziale Gemeinschaft zusammenwirken. „D`z Fadegschlagä“ besitzt eine gemeinsame Autorschaft und bringt das Ästhetische in die Fragen des gesellschaftlichen Handelns ein.